Niklas Koschel

HEARTLAND

ELEKTROHALLE RHOMBERG , Salzburg
8. Oktober – 26 November 2022 | Eröffnung: Samstag, 8. Oktober, 16 – 19 Uhr

Einer chaotischen, überfüllt vereinnahmenden Welt setzt Linda Berger in der Ausstellung Heartland zunächst gleichermaßen ein regelrechtes Chaos entgegen. Ausgehend von der kleinsten graphischen Geste — einem simplen Strich — entwirft die in Wien lebende Künstlerin eindrucksvolle Welten. In akribischer Wiederholung bleibt keiner dieser Striche je allein. Gleich einer bunten Häufung von Individuen variieren sie in Stärke und Richtung, überlagern und verbünden sich zu Ballungen, zu formgebenden Zentren. In der Kombination des Einzelnen, konstruieren sie sich so zu einem großen Ganzen.

Jenseits des Konkreten tragen die Bilder das Erbe einer Abstraktion, die in der Betrachtung keine bleiben muss. Die ausgelösten Assoziationsketten sind vielfältig: Rauschhafte Fluten, zu Galaxien angehäufte Sterne, kosmischer Staub, aus der Vogelperspektive betrachtete Gebirgszüge und in Nebel getauchte Horizonte. Suchend taumelt die Zeichnung in Form einer Armada an Strichen über die weiße Leinwand, füllt und ordnet sie im Chaos. Zärtlich, doch bestimmt, entgegnet die Künstlerin in ihrer Arbeitsweise, durch das Schichten und Anhäufen von Strichen, einer möglichen Scheu vor der Leere. Auf die ästhetische Herausforderung der weißen Leinwand antwortet sie durch produktive Vielfalt. Sensibel rhythmisiert und komponiert Linda Berger die freien Flächen so zu weiten Räumen. Die Qualität des Inhaltlichen ergibt sich aus der Quantität des formalen Ausdrucks — einer minutiös arrangierten Vielzahl kurzer Strähnen. Ähnlich dem sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen, sieht man auch das Bild aus der Nähe zunächst vor lauter Strichen nicht. Erst aus einiger Distanz vermögen wir die fulminanten Welten der Künstlerin kompositorisch zu erfassen.

Aus dem Einzelnen entsteht also in meditativer Arbeit ein Ganzes, das nie am Ende sein muss. Der kontemplative Arbeitsprozess äußert sich in einer expressiven Gestik. Grundsätzlich erweiterbar, erlaufen sich die Bilder in der Betrachtung ganze Welten. Denn wie sich die Werke im Einzelnen aus minimalen Fragmenten zusammensetzen, zeugen sie auch in ihrer gemeinsamen Präsentation von der Möglichkeit als erweiterbare Module einer imaginären Welt verstanden zu werden. Das Einzelne wird auch hier je zum Ausschnitt eines Größeren.

Das Herzstück Bergers künstlerischer Arbeiten lässt sich so als Versuch verstehen, die Komplexität von Welten zu begreifen, deren kleinste Einheiten nie für sich stehen, sondern erst im Kosmos des Gemeinschaftlichen gebunden werden.
Präzision und Unordnung, Nähe und Ferne, Einfalt und Vielfalt, das Ich und die Anderen. Zu Unrecht als gegensätzlich verstandene Konzepte werden in der Ausstellung der Künstlerin symbiotisch zusammengeführt. Und am Ende steht wohl eine Vermutung: Kein Makrokosmos ohne Mikrokosmos, kein Herzstück ohne Umland.

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Niklas Koschel

HEARTLAND

ELEKTROHALLE RHOMBERG , Salzburg
8. Oktober – 26 November 2022 | Opening: Saturday, 8. Oktober, 4 – 7 pm

In the exhibition Heartland, Linda Berger counters a chaotic, overcrowded world with downright chaos. Starting from the smallest graphic gesture – a simple stroke – the Vienna-based artist creates spectacular worlds. In meticulous repetition, none of these strokes ever remains alone. Like a colorful accumulation of individuals, they vary in strength and direction, overlap and combine into clusters, into form-giving centers. In the combination of the individual, they thus construct themselves into a great whole.

Beyond the specific, the images carry the legacy of an abstraction that doesn’t need to remain one in viewing. The chains of associations triggered are manifold: swooshing floods, stars piled up into galaxies, cosmic dust, mountain ranges seen from a bird's-eye view, and horizons bathed in fog. Searchingly, the drawing in the form of an armada of strokes tumbles across the white canvas, filling and arrange it in chaos. Tenderly, yet determinedly, the artist's working method, through the layering and piling up of strokes, counters a possible timidity from emptiness. She responds to the aesthetic challenge of the white canvas through productive diversity. Sensitively, Linda Berger thus rhythms and composes the free surfaces into wide spaces. The quality of the picture results from the quantity of the formal expression – a meticulously arranged multitude of short strands. Similar to the proverbial forest for the trees, one cannot see the picture up close because of all the strokes. Only from a distance are we able to grasp the artist's fulminant worlds.

Thus, in meditative work, an ensemble emerges from the individual, which never has to reach its end. The contemplative working process expresses itself in an expressive gesture. Basically expandable, the images in the contemplation build themselves whole worlds. For just as the works are composed individually of minimal fragments, they also testify in their joint presentation to the possibility of being understood as expandable modules of an imaginary world. Here too the small individual becomes a section of the larger whole.

The heart of Berger's artistic works can thus be understood as an attempt to grasp the complexity of worlds whose smallest units never stand on their own, but are only bound together in the cosmos of the communal.
Precision and disorder, proximity and distance, simplicity and diversity, the self and the others. Concepts wrongly understood as opposites are symbiotically brought together in the artist's exhibition. And in the end there is probably a presumption: no macrocosm without microcosm, no heartland without surrounding.